Lymphome sind eine sehr heterogene Gruppe von Krebserkrankungen, die von weißen Blutkörperchen ausgehen und sich meist in den Lymphknoten manifestieren. Das diffuse großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) ist dabei die häufigste Unterart und hat einen aggressiven Verlauf, der unbehandelt schnell zum Tod führt. In der Regel werden DLBCL-Patientinnen und -Patienten heute nach der Diagnose des Lymphoms mit einer Chemoimmuntherapie behandelt.
Klinische Studien haben gezeigt, dass einige der DLBCL-Patienten besonders gut auf die Therapie mit Medikamenten ansprechen, die zielgerichtet die Bruton-Tyrosinkinase (BTK) in Lymphomzellen hemmen. Dieses Enzym spielt eine wichtige Rolle in der Vermittlung von Überlebenssignalen in Lymphomzellen. „Bislang war allerdings unklar, warum bestimmte Patienten so außerordentlich gut auf die Therapie mit den sogenannten BTK-Inhibitoren reagieren, und welche Medikamente in Kombination mit BTK-Inhibitoren möglicherweise für sie zu einem langfristigen Zurückdrängen oder gar Heilung des Lymphoms beitragen können“, erklärt Prof. Dr. Thomas Oellerich, Direktor der Klinik für Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Frankfurt. „In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK) und dem US-amerikanischen National Cancer Institute (NCI) konnten wir nun einen bisher unbekannten Wirkmechanismus von BTK-Inhibitoren entschlüsseln.“ Die entsprechende Studie wurde kürzlich in Cancer Cell, einer der meistzitierten wissenschaftlichen Fachzeitschriften, veröffentlicht.
Ein Lymphom-Subtyp besonders empfindlich gegen BTK-Inhibitoren
Frühere Forschungsarbeiten haben gezeigt, dass es molekulare Subgruppen des DLBCL gibt, die sich aufgrund von Veränderungen in ihrem Erbgut voneinander unterscheiden. In klinischen Studien wurden daraufhin Medikamente getestet, die insbesondere die Bruton-Tyrosinkinase in den Lymphomzellen hemmen. Dabei fiel auf, dass Patientinnen und Patienten mit bestimmten Erbgutveränderungen in einem Gen, welches das Protein MYD88 kodiert, besonders gut auf die Therapie mit BTK-Inhibitoren angesprochen haben, nämlich zu fast 100 Prozent. Die Gründe dafür haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsprojekts unter Leitung von Prof. Dr. Oellerich und Dr. Louis Staudt (NCI) dank großangelegter genetischer und zellbiologischer Untersuchungen gefunden.
Mithilfe der Genschere CRISPR-Cas9 und massenspektrometrischer Untersuchungen des Proteoms, also der Gesamtheit aller Proteine in einer Zelle, charakterisierten die Forscherinnen und Forscher die Funktion bestimmter Gene in DLBCL-Zellen. Dabei konnten sie zeigen, dass die Inaktivierung sogenannter Autophagie-Gene eine Resistenz gegenüber einer Behandlung mit BTK-Inhibitoren zur Folge hat. Autophagie beschreibt einen Prozess in der Zelle – vergleichbar einer Recyclingfabrik – bei der der „Müll“, also nicht mehr benötigte oder fehlgefaltete Proteine oder Zellbestandteile, abgebaut werden und in Energie für die Zelle umgewandelt werden können. „In DLBCL-Zellen mit MYD88-Genveränderungen wird durch die Therapie mit BTK-Inhibitoren gerade das krankhaft veränderte MYD88-Protein von der Autophagie-Maschinerie selektiv erkannt und abgebaut. Das Krebswachstum wird somit eingedämmt, da die Lymphomzellen ein wichtiges Überlebenssignal verlieren“, erläutert Dr. Sebastian Scheich, Klinik für Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Frankfurt und einer der Erstautoren der Studie. „Dies erklärt auf molekularer Ebene, warum DLBCL-Patientinnen und -Patienten mit Veränderungen in MYD88 besonders stark von einer Therapie mit BTK-Inhibitoren profitieren.“
Neue Behandlungsansätze
Durch die Kombination von klinischen Daten und laborexperimenteller Grundlagenforschung konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den genauen Wirkmechanismus von BTK-Inhibitoren besser verstehen. „Das DLBCL ist eine aggressive Erkrankung und auf molekularer Ebene sehr heterogen“, erklärt Prof. Dr. Oellerich. „Die Erkenntnisse unserer Forschung können dazu beitragen, neue Behandlungsmöglichkeiten zu entwickeln. Im Vergleich zur klassischen Chemotherapie haben wir die begründete Hoffnung, dass diese innovativen Therapien effizient und gleichzeitig gezielter als bisher zur Behandlung von Lymphomen eingesetzt werden können, und dass damit die Prognose vieler Patientinnen und Patienten nachhaltig verbessert wird.“
Publikation:
Phelan, J. D.*, Scheich, S.*, Choi, J., Wright, G. W., Häupl, B., Young, R. M., Rieke, S. A., Pape, M., Ji, Y., Urlaub, H., Bolomsky, A., Doebele, C., Zindel, A., Wotapek, T., Kasbekar, M., Collinge, B., Huang, D. W., Coulibaly, Z. A., Morris, V. M., Zhuang, X., Enssle, J. C., Yu, X., Xu, W., Yang, Y., Zhao, H., Wang, Z., Tran, A. D., Shoemaker, C. J., Shevchenko, G., Hodson, D. J., Shaffer III, A. L., Staudt, L. M., Oellerich, T.; Response to Bruton’s tyrosine kinase inhibitors in aggressive lymphomas linked to chronic selective autophagy; Cancer Cell, February 12, 2024.
https://doi.org/10.1016/j.ccell.2023.12.019
* Diese Autoren haben gleichermaßen beigetragen
Für weitere Informationen:
Prof. Dr. Thomas Oellerich
Direktor der Klinik für Hämatologie und Onkologie
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