Eine Chemotherapie oder Bestrahlung kann unfruchtbar machen. Das gilt bereits für Mädchen und Jungen vor der Pubertät. Vor diesem Hintergrund hat das Frankfurter Universitätsklinikum als bundesweit erste Einrichtung feste institutionelle Behandlungsstrukturen geschaffen, in denen sich Experten verschiedener Fachgebiete der Fruchtbarkeit von Kindern mit Krebserkrankungen widmen. Mit der zusätzlichen Gründung des „Frankfurt-Projekts“ und dem ersten Frankfurter Symposium „Zum Erhalt der Fertilität bei pädiatrischen Erkrankungen“ zu Beginn dieses Jahres wollen die Verantwortlichen diese neuen Verfahren weiterentwickeln und zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit beitragen. „Unser Ziel ist es, aus diesen Strukturen ein spezialisiertes Zentrum für Behandlung und Forschung zu entwickeln. Außerdem wollen wir für eine bessere Unterstützung der betroffenen Mädchen und Jungen durch die Politik und Gesellschaft werben“, erklärt Prof. Thomas Klingebiel, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin.
Neue Herausforderungen aufgrund des medizinischen Fortschritts
Die Medizin hat sich in der Krebsbehandlung enorm weiterentwickelt. Gerade auch bei Kindern konnten durchschlagende Erfolge erzielt werden. Das wirft allerdings auch neue Fragen auf. Denn natürlich spielt es für die Zukunftsplanung junger Menschen eine ganz entscheidende Rolle, ob sie selbst Nachwuchs haben können. Doch Chemotherapien oder Bestrahlungen können die Fruchtbarkeit der Patienten schädigen oder vollständig zerstören. Die medizinischen Maßnahmen zum Erhalt der Fruchtbarkeit sind bei Erwachsenen gut etabliert, entwickeln sich allerdings erst für die – vor allem präpubertären – Kinder. Eine Möglichkeit ist die Konservierung von Ei- und Samenzellen bei pubertären Kindern sowie von unreifem Gewebe der Geschlechtsdrüsen bei Mädchen und Jungen vor der Pubertät. Gerade für die präpubertäre Gruppe bestand bislang kein Angebot und Behandlungsverfahren galten als experimentell.
Anlaufstelle für Mädchen und Jungen aus ganz Deutschland
Die Kryokonservierung von Gewebe der Eierstöcke ist bei erwachsenen Frauen eine bereits erfolgreich eingesetzte Methode. Ausschließlich in Frankfurt wird sie nun auch flächendeckend für Mädchen vor der Pubertät angeboten. Dafür entnehmen die Ärzte vor einer chemotherapeutischen Behandlung oder einer Bestrahlung Material aus den Eierstöcken. Selbst in kleinen Mengen befinden sich hunderte von Eizellen. Der Eingriff erfolgt minimalinvasiv, also mit Spezialinstrumenten durch kleinste Einschnitte im Körper. Das Verfahren ist sicher und für die Patientinnen kaum belastend. Die Zellen werden dann in flüssigem Stickstoff bei minus 140 Grad eingefroren und dadurch konserviert. Nach einer erfolgreichen Therapie wird das Eierstockgewebe wieder zurückverpflanzt. Erst im Dezember 2016 hat in London eine Frau das weltweit erste Baby geboren, der vor ihrer Pubertät Eierstockgewebe entnommen und nach einer Behandlung wieder transplantiert wurde. „Dieses Verfahren ist hochanspruchsvoll und wir betreten damit nach wie vor medizinisches Neuland. Die Umsetzung bei Kindern funktioniert nur, wenn eine institutionalisierte Kooperation der relevanten Fachgebiete etabliert ist. Da wir national der einzige Standort sind, der eine solche Struktur aufgebaut hat, erhalten wir Zuweisungen aus ganz Deutschland“, erläutert PD Dr. Nicole Sänger, Leiterin des Schwerpunkts gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin.
Auch für Jungen ist ein ähnliches Verfahren möglich. Unreifes Hodengewebe kann entnommen und kryokonserviert werden. Diese Methode ist noch in der Entwicklungsphase, weil das Hodengewebe nicht ohne Bearbeitung wieder transplantiert werden kann bzw. der Patient auf diesem Weg noch nicht direkt zeugungsfähig wird. „Daher erforschen wir, wie wir das unreife Gewebe so stimulieren können, dass der Junge später damit tatsächlich Kinder zeugen kann. Damit heutige Patienten von künftigen Erkenntnissen profitieren können, müssen wir bereits jetzt Gewebe konservieren“, betont Prof. Falk Ochsendorf, Leitender Oberarzt der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie sowie Leiter der Forschungsgruppe Andrologie. Um diese Verfahren bei Mädchen und Jungen umsetzen zu können, wird neben der Andrologie und der Reproduktionsmedizin unter anderem die Kinderchirurgie benötigt.
Noch geringe Unterstützung aus Politik und Gesellschaft
Anders als in vielen europäischen Nachbarstaaten übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland die Kosten für diese Behandlungen nicht. Verantwortlich ist dafür unter anderem ein Urteil des Hessischen Landessozialgerichtes. Demnach ist das Tieffrieren keine „Zusätzliche Leistung“, die Kassen freiwillig erbringen dürfen.
Aus diesem Grund wurde am Universitätsklinikum das „Frankfurt-Projekt“ ins Leben gerufen, um zu sensibilisieren und für eine Unterstützung der Kinder sowie ihrer Familien zu werben. Alle Kinder, für die eine fruchtbarkeitsgefährdende Therapie geplant ist, sollen eine garantierte Beratungs- und Therapiemöglichkeiten erhalten. Dieses Projekt wird durch den Verein „Hilfe für krebskranke Kinder Frankfurt e.V.“ für zwei Jahre aus Spendenmitteln finanziert. Außerdem wollen die Beteiligten gemeinsam mit anderen Einrichtungen ein Verbundforschungsprojekt und eine national nutzbare Datenbank zur Evaluation etablieren. „Im europäischen Vergleich sind andere Länder aktuell weiter als Deutschland. Durch die in Frankfurt geschaffenen Strukturen wollen wir den Erhalt der Fruchtbarkeit bei Kindern mit Krebs bundesweit voranbringen und im Netzwerk mit unseren europäischen Partnern auch international zur Weiterentwicklung der Therapien beitragen“, so Prof. Peter Bader, Leiter des Schwerpunktes Stammzelltransplantation und Immunologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin.
Für weitere Informationen:
PD Dr. Nicole Sänger
Leiterin des Schwerpunkts gynäkologische
Endokrinologie und Reproduktionsmedizin
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Fax (0 69) 63 01 – 71 20
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