Vom Selbsthilfeverein zum Forschungsinstitut: 25 Jahre Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder

Unter der Schirmherrschaft von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier feierte die Stiftung am 22. November ihr 25-jähriges Jubiläum. Sie finanziert unter anderem das universitäre Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie.

Die Entwicklung der Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder ist einzigartig in Deutschland und Europa. 1994 wurde sie vom Elternselbsthilfeverein Hilfe für krebskranke Kinder Frankfurt e.V. gegründet, um die Forschung von Krebserkrankungen bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu intensivieren. Heute gehören zur Stiftung fünf hauptamtliche Mitarbeiter, mehr als 60 wissenschaftliche Mitarbeiter in zwei Forschungsgruppen im stiftungseigenen Forschungshaus und eine einzigartige Sammlung Chemotherapie-resistenter Tumorzellen mit über 2.000 Zelllinien, die über die Landesgrenzen hinaus für die Forschung genutzt wird. Mehr als 800 hochrangige wissenschaftliche Publikationen sind in den Institutionen der Stiftung entstanden.

Hochkarätige Krebsforschung: seit 25 Jahren privat finanziert
Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Dr. Jürgen Vogt, erklärte anlässlich des 25-jährigen Jubiläums: „Krebs bei Kindern kann heute in etwa 80 Prozent der Fälle geheilt werden. Das ist für uns ein großer Erfolg. Doch es heißt auch, dass nach wie vor jedes fünfte krebskranke Kind stirbt. Damit wollen und werden wir uns nicht abfinden. Jedes erkrankte Kind muss eine Heilungschance erhalten. Dafür brauchen wir die Hilfe vieler. Denn seit der Gründung unserer Stiftung erhalten wir keine Mittel aus öffentlicher Hand. Unsere Forschung kann nur durch das Engagement von Unternehmen und Privatpersonen stattfinden, die uns seit einem Vierteljahrhundert immer wieder finanziell unterstützen. Dafür sagen wir von Herzen Danke!“

Wissenschaftlicher Fortschritt im eigenen Forschungshaus
Der Verein Hilfe für krebskranke Kinder Frankfurt e.V. selbst wurde 1983 von betroffenen Eltern gegründet, die die Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt unterstützen wollten. Um zusätzlich die Forschung voranzutreiben, schuf der Verein elf Jahre später die Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder. Durch den Nachlass der mit nur 32 Jahren an Krebs verstorbenen Gelnhäuser Betriebswirtin Dr. Petra Joh war die Stiftung in der Lage, ein eigenes Forschungshaus zu bauen. Das Dr. Petra Joh-Haus wurde 2005 nach einer Bauzeit von zwei Jahren in Frankfurt-Niederrad eröffnet. In Kooperation mit der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin arbeiten dort zwei Forschergruppen daran, die Ursachen von Krebserkrankungen bei Kindern zu ergründen und neue Heilungsmöglichkeiten aufzudecken: das Interdisziplinäre Labor für pädiatrische Tumor- und Virusforschung unter der Leitung von Prof. Jindrich Cinatl und das Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie unter der Leitung von Prof. Simone Fulda.

Kein Sieg über den Krebs ohne Forschung
„Die Entwicklung der Kinderonkologie in den letzten Jahren hat deutlich gezeigt, dass es ohne Forschung keinen Fortschritt in der Krebsbehandlung gibt. Nur wer die Mechanismen der Krebsentstehung versteht, kann daraus Strategien und Programme ableiten, dieser Krankheit Herr zu werden. Deshalb gilt es nicht nur, der Stiftung alles Gute zum Geburtstag und viele Erfolge in der Krebsforschung zu wünschen, sondern den handelnden Personen in und um die Stiftung zu danken für ihr Engagement und ihr weitsichtiges Handeln“, so der Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt Prof. Thomas Klingebiel.
Prof. Josef Pfeilschifter, Dekan des Fachbereichs Medizin der Goethe-Universität und Mitglied des Stiftungsvorstandes, stimmt zu: „Der Verein Hilfe für krebskranke Kinder e.V. hat früh erkannt, dass nur die Trias von Helfen, Heilen und Forschen langfristig zum Erfolg im Kampf gegen den Krebs führen kann. Mit Gründung der Stiftung hat er den Weg geebnet für Frankfurter Grundlagenforschung in der pädiatrischen Krebsmedizin, die heute weltweit anerkannt ist. Insbesondere auch für die Einrichtung der Stiftungsprofessur für Experimentelle Tumorforschung als nachhaltige Maßnahme der Wissenschaftsförderung sind wir als Universität der Stiftung zu großem Dank verpflichtet.“

Wegweisende Forschung zu resistenten Tumorzellen
Das Interdisziplinäre Labor für pädiatrische Tumor- und Virusforschung wird von der Stiftung bereits seit Gründung unterstützt. Die Forscher des Labors waren denn auch die ersten Nutzer des Dr. Petra Joh-Hauses. Sie arbeiten hier vor allem an neuen Strategien, um resistente Krebszellen bei Kindern zu behandeln. Zu diesem Zweck hat die Gruppe von Prof. Cinatl eine einzigartige Zellbanksammlung mit Chemotherapie-resistenten Krebszellen etabliert. Sie hilft, molekulare Resistenzmechanismen in Tumoren zu untersuchen, neue Wirkstoffe zu identifizieren und dadurch Resistenzen zu überwinden. Denn aktuelle Chemotherapien bei Kindern versagen zum Teil genau deshalb. 
Bislang existierte keine derartige Zellbank, weshalb das Frankfurter Interdisziplinäre Labor die umfangreiche Resistant Cancer Cell Line Collection (RCCL) etablierte. Aktuell befinden sich über 2.000 Zellen in der Bank, die an mehr als 100 unterschiedliche therapeutische Stoffe angepasst wurden. Ausgewählte Zellen werden von Kooperationspartnern weltweit für Forschungszwecke verwendet, zuletzt unter anderem als wichtige Grundlage eines EU-Projekts.

Therapieforschung dank eigener Zellbank
Mithilfe der RCCL-Zellen werden nicht nur neue Wirkstoffe gegen Krebstumoren untersucht, sondern auch bereits zugelassene Stoffe aus anderen Medizinfeldern auf ihre Wirkung gegen Tumorzellen überprüft. Ziel ist es, Substanzen zu finden, die – bei möglichst geringen Nebenwirkungen – gegen resistente Krebszellen wirken, wo andere Therapeutika versagen. Ein Beispiel entwickelter Medikamente ist die Valproinsäure. Sie wurde als wirksames Mittel gegen Krebs bereits in den 90er Jahren von der Arbeitsgruppe von Prof. Cinatl identifiziert. Die ursprünglich zur Behandlung von Epilepsien entwickelte Substanz hat mittlerweile Eingang in mehr als 80 klinische Studien gefunden und wird weltweit in der Krebstherapieforschung untersucht.
2017 erzielte die Gruppe einen weiteren Durchbruch. Bislang war es bei der akuten myeloischen Leukämie (AML) unmöglich, vorherzusagen, welche Patienten auf die Standardchemotherapie ansprechen. Deshalb erhielten alle Patienten die mit erheblichen Nebenwirkungen verbundene Behandlung, auch wenn nur ein Teil davon profitiert. Forscher des Labors haben nun einen neuen Biomarker entdeckt, mit dessen Hilfe Patienten, die auf die Therapie ansprechen, mit hoher Genauigkeit identifiziert werden können. Außerdem eröffnen die Ergebnisse neue Möglichkeiten für Leukämiepatienten, für die aktuell noch keine Therapie besteht.

Wenn Viren dem Krebs helfen
Das Neuroblastom ist einer der häufigsten soliden Tumoren im Kindes- und Jugendalter und gleichzeitig in Abhängigkeit vom Stadium und Alter des Kindes eine häufig tödliche Tumorerkrankung. Infektionen mit dem verbreiteten humanen Zytomegalievirus (CMV) können die Aggressivität dieser Krebszellart erhöhen: Sie verstärken die Metastasierung und verhindern, dass diese auf Chemotherapeutika ansprechen. Um die zugrundeliegenden Mechanismen zu untersuchen, wurden im Interdisziplinären Labor für pädiatrische Tumor- und Virusforschung dauerhaft CMV-infizierte Tumorzellen erzeugt. Die Forscher erhoffen sich, Wirkstoffe zu finden, die verhindern, dass das Virus den Krebs befördert. Außerdem wollen sie das Virus an sich bekämpfen, da es bei immunsupprimierten Patienten zu einer hohen Morbidität und Mortalität führt. Einige vielversprechende Substanzen konnten sie bereits identifizieren.

Deutschlandweit erstes Institut nur für Kinderkrebsforschung
Im Jahr 2010 gelang es, die international renommierte Kinderkrebsforscherin Prof. Simone Fulda für eine von der Stiftung finanzierte Professur an der Goethe-Universität zu gewinnen. 2011 wurde das Institut für Experimentelle Tumorforschung in der Pädiatrie unter ihrer Leitung gegründet und im frisch erweiterten Dr. Petra Joh-Haus angesiedelt. Das Institut hat den ersten Lehrstuhl an einer deutschen Universität, der auf die Erforschung von Krebserkrankungen im Kindesalter spezialisiert ist. Es arbeitet an der Schnittstelle von zell- und molekularbiologischer Grundlagen- und angewandter klinischer Forschung. Ziel ist, Therapien für krebskranke Kinder zu entwickeln, die auf die molekularen Veränderungen in den Tumoren abzielen.

Signalwege entschlüsseln
Zu diesem Zweck erforscht Prof. Fuldas Arbeitsgruppe die molekularen Mechanismen, die zum spezifischen Absterben von Tumoren führen. So besitzt jede menschliche Zelle ein genetisch gesteuertes Selbstmordprogramm: Die Apoptose schränkt Zellwachstum und -teilung ein. In Krebszellen ist dieses Programm blockiert. Durch molekulare Defekte, beispielsweise fehlerhaft gebaute Proteine, funktionieren die biochemischen Signalwege der Apoptose dort nicht mehr. Diese Schäden können sich nicht nur bei verschiedenen Krebsarten, sondern sogar innerhalb des gleichen Krebstyps unterscheiden. Prof. Fulda und ihre Mitarbeiter untersuchen, welche Signalwege bei einem bestimmten Tumortyp gestört sind, welche Störungen tatsächlich Krebs auslösen und welche Wirkstoffe man einsetzen kann, um das zu beheben.

Schnell vom Labor zum Patienten
Wichtig ist, dass die Laborerkenntnisse schnell in die medizinische Anwendung gelangen. In der Fachwelt hat sich dafür der Begriff translationale Forschung etabliert. Dieser Austausch läuft in beide Richtungen. So ist es wichtig, dass die behandelnden Ärzte die Wissenschaftler über auftretende Resistenzen informieren. Denn selbst gegen anfangs gut wirksame neue Substanzen können Krebszellen durch Mutationen resistent werden. Die Forscher im stiftungseigenen Forschungshaus untersuchen die Resistenzmechanismen dann im Labor, um – oft zusammen mit Wissenschaftlern anderer Disziplinen – alternative Wirkstoffe zu entwickeln. Die Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder ermöglicht diese einzigartige Forschungsstruktur, indem sie den Forschergruppen die Ausstattung und Räumlichkeiten des Dr. Petra Joh-Hauses zur Verfügung stellt. Der Brückenschlag zwischen der Grundlagenforschung und der klinischen Ergebnisanwendung wird zudem durch die enge Zusammenarbeit zwischen den beiden wissenschaftlichen Arbeitsgruppen der Stiftung und der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum gefördert.

Unverzichtbare private Förderer 
Prof. Jürgen Graf, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums, erklärt: „Für eine Universitätsmedizin sind private Förderer wie die Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder von größter Bedeutung. Sie tragen die hochaktuelle Forschung, die wir betreiben, in die Gesellschaft. Auch schaffen sie Infrastrukturen, die es uns ermöglichen, den Transfer zwischen Wissenschaft und Patientenbehandlung noch effizienter zu gestalten. So trägt die Stiftung seit nunmehr 25 Jahren dazu bei, dass in unserem Haus aus Wissen Gesundheit wird. Wir sind sehr dankbar dafür und gratulieren uns allen herzlich zum Jubiläum.“

Forschungspreis für junge Talente
Der Stiftung ist es auch ein wichtiges Anliegen, kontinuierlich den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. Deshalb wird der Dr. Maresch-Klingelhöffer-Forschungspreis seit 2008 ausgeschrieben. Er hat seinen Ursprung in einer Zustiftung des Ehepaars Dr. Otto Maresch und Doris Maresch-Klingelhöffer. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis zeichnet die beste Arbeit von jungen Nachwuchswissenschaftlern in der Kinderkrebsforschung oder angrenzenden Fachgebieten aus. Nachdem die Ausschreibung zwei Jahre pausierte, wurde sie zum 25-jährigen Jubiläum der Stiftung wieder ausgelobt – als Höhepunkt des Festjahres. Der aktuelle Preis wurde an Dr. Constanze Schneider verliehen für ihre wissenschaftliche Arbeit zum Thema „SAMHD1 is a biomarker for cytarabine response and a therapeutic target in acute myeloid leukemia“, welche in Nature Medicine veröffentlicht wurde.

Im Bild: Der Vorstandsvorsitzende der Frankfurter Stiftung für krebskranke Kinder, Dr. Jürgen Vogt, überreicht Dr. Constanze Schneider anlässlich des 25-jährigen Stiftungsjubiläums den Dr. Maresch-Klingelhöffer-Forschungspreis. Der Leiter des Interdisziplinären Labors für pädiatrische Tumor- und Virusforschung Prof. Jindrich Cinatl gratuliert Dr. Schneider als Doktorvater. 

Für weitere Informationen:

Christoph Lunkenheimer
Pressesprecher
Stabsstelle Kommunikation
Universitätsklinikum Frankfurt
Telefon: (069) 6301-86442
E-Mail: christoph.lunkenheimer@kgu.de
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