Das hepatozelluläre Karzinom ist die häufigste Form des primären Leberkrebses und die dritthäufigste tumorbedingte Todesursache weltweit. Das liegt unter anderem daran, dass der Tumor ein hohes Rezidivrisiko mit sich bringt, er also häufig auch nach einer Behandlung wieder zurückkehrt. Zu den klassischen Behandlungsoptionen zählen Chemotherapie und die operative Entfernung des Tumors. Besonders schonende Alternativen sind interventionelle radiologische Verfahren wie die Mikrowellenablation (MWA) und die konventionelle transarterielle Chemoembolisation (C-TACE). Es besteht jedoch die Vermutung, dass gerade diese Ansätze sogenannte zirkulierende Tumorzellen freisetzen. Je mehr solche Zellen eine Patientin oder ein Patient hat, desto höher ist das Risiko, dass der Krebs wieder auftritt. „Unsere Studie hat ergeben, dass die Mikrowellenablation – anders als bisher angenommen – die kritischen Zellen sogar reduziert“, erklärt Prof. Thomas J. Vogl, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Frankfurt. Das Institut ist Teil des Universitären Leberzentrums Frankfurt, wo die aktuellen Forschungsergebnisse in enger interdisziplinärer Kooperation gewonnen wurden. Außerdem wurde in der Studie ein Verfahren zur Tumorzellidentifizierung getestet. Es ermöglicht, zukünftig hepatozelluläre Karzinome genauer zu klassifizieren.
Zwei diskutierte Behandlungsmethoden
In der Studie wurden zwei Therapieansätze genauer geprüft. Bei der C-TACE wird ein Chemotherapeutikum über ein Kathetersystem direkt in die Lebergefäße gebracht, die den Tumor versorgen. Die anschließende künstliche Gefäßverschließung, also Embolisation, ermöglicht eine längere Wirkung und höhere Konzentration des Chemotherapeutikums im Tumorgewebe. Bei der MWA wird eine Sonde in den Tumor eingeführt. Ihre elektromagnetischen Wellen zerstören das Gewebe durch Wärme. Beide Behandlungsmethoden gelten als minimalinvasiv und sind deshalb schonend, weil das Krebsgewebe sehr gezielt angegriffen wird, ohne den Körper insgesamt stark zu belasten.
Aufschluss über Behandlungsrisiken
In der prospektiven Studie untersuchte das Forscherteam die zirkulierenden Tumorzellen bei 17 Patientinnen und Patienten mit hepatozellulärem Karzinom im Alter von 47 bis 79 Jahren: fünf Frauen und zwölf Männer. Sieben Patienten erhielten C-TACE und zehn eine MWA. Parallel wurden Blutproben von 13 gesunden Spendern entnommen. So konnten Patientenblut und Kontrollblut eines Spenders zeitgleich analysiert werden.
Die Patientinnen und Patienten wurden bis zu 2,2 Jahre nach dem radiologischen Eingriff begleitet. Bei 76 Prozent wurden vor den Eingriffen zirkulierende Tumorzellen nachgewiesen. Erhielten die Probanden eine MWA, verringerte sich deren Rate wider Erwarten signifikant. Bei denjenigen, die C-TACE bekamen, wurden keine bedeutenden Unterschiede beobachtet. Allerdings könnte dieser Befund auch auf die begrenzte Probandenzahl zurückzuführen sein. Bei den restlichen 24 Prozent der Patientinnen und Patienten wurden weder vor noch nach der Behandlung zirkulierende Tumorzellen festgestellt. Insgesamt konnte keine Korrelation zwischen der Rate der zirkulierenden Tumorzellen vor und nach dem radiologischen Eingriff und der Rezidivrate des hepatozellulären Karzinoms gefunden werden.
Zellen finden – die Herausforderung
Um die zirkulierenden Tumorzellen bei Patientinnen und Patienten mit hepatozellulärem Karzinom nachzuweisen, verwendete das Team drei verschiedene Tumormarker. Dies war notwendig, weil es sehr anspruchsvoll ist, die zirkulierenden Tumorzellen aus dem Blut effizient zu isolieren. Eine solche Zelle kommt auf eine Milliarde Blutzellen. Zudem sind Zellen desselben Tumors phänotypisch, also hinsichtlich ihrer physikalischen Charakteristik sehr heterogen. Sie haben also meist mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Eine einzelne Zelle ist somit nicht repräsentativ für den gesamten Tumor und gibt keinen Aufschluss darüber, wie eine weitere Tumorzelle aussieht.
Vorteil Mikrowellen
Die gewonnenen Daten zeigen, dass es nach einer Mikrowellenablation signifikant weniger zirkulierende Tumorzellen gibt, was gegebenenfalls auf die antitumorale Wirkung der Methode beim hepatozellulären Karzinom hinweist. Auf den Erkenntnissen können nun großangelegte randomisierte klinische Studien aufbauen, um die zukünftige Rolle und die prognostische Relevanz zirkulierender Tumorzellen nach dieser Behandlung genau zu bestimmen. „Aber auch unabhängig von der Behandlungsmethode könnte das Erkennen zirkulierender Tumorzellen zukünftig als relevantes Diagnosewerkzeug und zur Prognoseabschätzung sowie zum Therapiemonitoring eingesetzt werden “, ergänzt Dr. Mazen A. Juratli von der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Die Klinik hat 2007 zusammen mit dem Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und der Medizinischen Klinik 1 das Universitäre Leberzentrum Frankfurt gegründet. Ziel ist es, die interdisziplinäre Zusammenarbeit zu fördern und über die einzelnen Fachbereiche hinaus individuelle Behandlungskonzepte für Patientinnen und Patienten zu entwickeln.
Publikation:
Early dynamic changes in circulating tumor cells and prognostic relevance following interventional radiological treatments in patients with hepatocellular carcinoma. Thomas J. Vogl, Linda J. Riegelbauer, Elsie Oppermann, Michel Kostantin, Hanns Ackermann, Annette Trzmiel, Stefan Stein, Katrin Eichler, Vladimir P. Zharov, Dhruvajyoti Roy, Andreas A. Schnitzbauer, Benjamin Strücker, Andreas Pascher, Wolf O. Bechstein, Mazen A. Juratli. PLOS One 16(2). 2021 Feb. 12. doi: 10.1371/journal.pone.0246527.
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