Gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede beim kolorektalen Karzinom?

Die Klinik für Strahlentherapie am Universitätsklinikum Frankfurt und das MD Anderson Cancer Center Texas haben in zwei Forschungsprojekten geschlechterspezifische Unterschiede bei der Studienbeteiligung und dem Behandlungsverlauf der Erkrankung festgestellt.

Das kolorektale Karzinom ist eine bösartige Neubildung des Dickdarms – fachsprachlich Kolon – oder des Mastdarms, Rektum. In Deutschland liegt die Zahl der Neuerkrankungen bei circa 64.000 Menschen jährlich. Neben den Gesamtzahlen beschäftigt sich die Krebsforschung in jüngerer Zeit verstärkt mit der Frage, ob es bei Erkrankungen und Behandlungen Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt. In diesem konkreten Fall: Unterscheidet sich die Häufigkeit des kolorektalen Karzinoms zwischen Frauen und Männern? Sind Frauen in klinischen Studien unterrepräsentiert? Reagieren Frauen und Männer unterschiedlich auf Chemo- und Strahlentherapie? Und schließlich: Haben Frauen eine bessere oder schlechtere Heilungswahrscheinlichkeit – insbesondere nach Radiochemotherapie des Enddarmkrebses?

Frauen in klinischen Studien unterrepräsentiert
Diese Fragestellungen wurden in zwei kooperativen Forschungsprojekten der Klinik für Strahlentherapie mit dem MD Anderson Cancer Center, University of Texas, untersucht. Dabei konnten die Autoren aus Houston und Frankfurt zeigen, dass Frauen, gemessen an der Häufigkeit des Darmkrebses, in prospektiv-randomisierten Studien zur Behandlung des kolorektalen Karzinoms deutlich unterrepräsentiert waren. Die Gründe hierfür bleiben zunächst unklar. Mögliche Erklärungen könnten spezifische Studieneinschlusskriterien, sozioökonomische Barrieren sowie unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen zu klinischen Studien sein.

Nebenwirkungen der Therapie geschlechterspezifisch
Unterschiede zwischen den Geschlechtern zeigten sich auch hinsichtlich der Nebenwirkungen in einer weiteren Analyse zur multimodalen Behandlung des Enddarmkrebses. Im Rahmen zweier großer randomisierter Studien der Deutschen Rektumkarzinom-Studiengruppe unter den Kennnamen CAO/ARO/AIO-94 und CAO/ARO/AIO-04 wurden mehr als 1.000 Patientinnen und Patienten behandelt. Frauen litten während der Radiochemotherapie vermehrt unter gastrointestinalen Nebenwirkungen wie Durchfall. Diese unterschiedliche toxische Wirkung beruht zum Teil auf einem geschlechtsspezifisch langsameren Abbau des Chemotherapeutikums 5-Fluorouracil. Außerdem hatten Frauen einen stärkeren Abfall der weißen Blutkörperchen.

Identische Heilungsrate trotz stärkerer Nebenwirkungen
Die höheren Nebenwirkungen hatten jedoch keine negativen Auswirkungen auf die Durchführbarkeit der Therapie. Auch die Häufigkeit von lokalen Rückfällen oder Fernmetastasen unterschied sich nicht. Die Heilungsrate war in der Studie bei beiden Geschlechtern identisch. Dennoch betont das Autorenteam aus Frankfurt und Texas, dass die signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Erforschung und Behandlung dieses häufigen Tumors bislang nicht ausreichend berücksichtigt wurden.

Publikationen:
Ludmir EB, et al., Sex-Based Disparities Among Cancer Clinical Trial Participants. J Natl Cancer Inst. 2019 Jul 27. doi: 10.1093/jnci/djz154. 

www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31350545

Diefenhardt M, et al., Association of sex with toxic effects, treatment adherence, and oncologic outcomes in the CAO/ARO/AIO-94 and CAO/ARO/AIO-04 phase 3 randomized clinical trials of rectal cancer. JAMA Oncol. 2019 Dec 5. doi: 10.1001/jamaoncol.2019.5102. 
https://jamanetwork.com/journals/jamaoncology/article-abstract/2757076

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Christoph Lunkenheimer
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Universitätsklinikum Frankfurt
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