Gegenwärtig stellt das Prostatakarzinom eine der bedeutendsten gesundheitlichen Bedrohungen für die männliche Bevölkerung dar. Allein auf dem europäischen Kontinent ist es mit über 400.000 jährlichen Erkrankungsfällen derzeit die häufigste Krebserkrankung und die dritthäufigste krebsbedingte Todesursache bei Männern.
Während Eingriffe im frühen Stadium hohe Heilungschancen haben, muss fortgeschrittener Prostatakrebs medikamentös behandelt werden. Doch mit der Zeit bildet er Arzneiresistenzen. Wie man diesen vorbeugen oder beikommen kann, wollen Prof. Roman Blaheta und Prof. Igor Tsaur aus der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Frankfurt in Kooperation mit den urologischen Forschungsabteilungen der Universitätsklinika Mainz und Homburg/Saar erforschen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt das Forschungsprojekt, dessen Dauer mit drei Jahren veranschlagt ist, mit einer Gesamtsumme von 500.000 Euro.
Späte Diagnose verringert die Chance auf Heilung
Je nach Größe und Lage des Tumors bieten sich im frühen Stadium des Prostatakarzinoms beispielsweise die Entfernung der Prostata, die sogenannte radikale Prostatektomie, aber auch eine Strahlentherapie oder sogar lediglich die aktive Überwachung an. Da die meisten Prostatakarzinome jedoch erst im fortgeschrittenen Stadium Beschwerden verursachen, wird die Diagnose oft nicht rechtzeitig gestellt. Hat der Tumor erst einmal Metastasen gebildet, kann der Krebs nicht mehr geheilt werden.
In diesem Fall wird das Prostatakarzinom bevorzugt mithilfe einer Hormontherapie behandelt. Eine Blockade der Testosteronproduktion und des Testosteronrezeptors, der – vereinfacht gesagt – dafür sorgt, dass das Hormon seine Wirkung entfaltet, gebietet dem Tumorwachstum zunächst Einhalt. Nach circa zwei bis drei Jahren jedoch entwickelt sich die sogenannte Kastrationsresistenz. Das heißt, das Karzinom spricht nicht mehr auf die hormonelle Therapie an.
Medikationsresistenzen bisher nicht vollständig überwunden
In den letzten Jahren konnten bedeutsame Fortschritte in der Behandlung des kastrationsresistenten Prostatakarzinoms erzielt werden. Dies gelang einerseits durch die Einführung der Zytostatika – also das Krebszellwachstum hemmende Substanzen – Docetaxel und Cabazitaxel sowie des Präparats Abirateron, das die Testosteronproduktion im Körper hemmt. Andererseits dank des Wirkstoffs Enzalutamid, der die Signalwege der Rezeptoren von Androgenen beschränkt, also Sexualhormonen, zu denen auch Testosteron gehört. Doch auch bei dieser Therapie entstehen Resistenzen, die mit der Zeit die Effektivität der Medikation verringern.
Erforschung von Resistenzen auf molekularer Ebene
Über die genauen molekularen Mechanismen, die an der Resistenzentwicklung beteiligt sind, ist bislang wenig bekannt. Die Proteinfamilie der Integrine ist jedoch aktuell ein vielversprechendes therapeutisches Ziel, um diesem unerwünschten Effekt entgegenzuwirken. Integrine sind elementare Membranrezeptoren, das heißt, sie befinden sich auf der Zelloberfläche. Dort übermitteln sie Signale und sorgen unter anderem dafür, dass sich die Zelle mit anderen Zellen oder mit der sie umgebenden Matrix aus Grundsubstanz und Fasern verbindet. Bis heute sind 24 verschiedene funktionelle Integrindimere bekannt, also Integrinmolekülverbünde, die jeweils aus einer Alpha- und einer Beta-Einheit zusammengesetzt sind. Die Rezeptoren sind wesentlich an der Regulation zahlreicher wichtiger biologischer Prozesse beteiligt. Hierzu zählen als Schlüsselschritte in der Metastasierungskaskade z.B. die Zellproliferation, also die Vermehrung von Zellen durch Teilung oder Wachstum, die Zelldifferenzierung, das heißt die Spezialisierung von Zellen, die Apoptose, also der programmierte Zelltod, sowie insbesondere die Migration und Invasion, zusammengefasst die Ausbreitung von Krebszellen.
Möglicher Schlüssel zur Verbesserung der Behandlung
Prof. Blaheta und Prof. Tsaur konnten in verschiedenen Studien beobachten, dass unter Medikamentenresistenz sowohl eine erhöhte Produktion einzelner Integrinsubtypen auftritt als auch eine verstärkte integringesteuerte Tumorzellmotilität, also die Fähigkeit zur aktiven Bewegung der Krebszellen, die für die Metastasenbildung notwendig ist. Die Wissenschaftler vermuten daher, dass die spezifische Blockade von Integrinrezeptoren möglicherweise einer Resistenzentwicklung gegenüber den aktuell zugelassenen Substanzen entgegenzuwirken vermag. Hieraus könnte sich eine vielversprechende therapeutische Option für das kastrationsresistente Prostatakarzinom ergeben.
Die Resistenz gegenüber Docetaxel, Cabazitaxel, Abirateron sowie Enzalutamid wurde schon zuvor in aufwändigen Versuchsreihen im Forschungslabor des Instituts für Medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt unter Leitung von Prof. Jindrich Cinatl etabliert. Gemeinsam mit den urologischen Forschungsabteilungen der Universitätsklinika Mainz und Homburg/Saar soll nun die Bedeutung einzelner Integrinsubtypen für die überproportionale Ausbreitung resistent gewordener Prostatakarzinomzellen am Zell- und Tiermodell im Detail evaluiert werden.
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