Studie zur Verbesserung von Therapiestandards bei akuter Leukämie

Erwachsene Patientinnen und Patienten mit Philadelphia-positiver akuter lymphatischer Leukämie (Ph-positive ALL) erhalten aktuell eine intensive und belastende Therapie. Unter der Leitung von Goethe-Universität und Universitätsklinikum Frankfurt wurde eine multizentrische Studie an 80 Kliniken gestartet, die neue Therapieansätze zur Optimierung der Behandlungsstrategie erforscht. Patienten werden auf innovative Weise in den Studienverlauf eingebunden. Die Studie EVOLVE wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit bis zu 1,2 Millionen Euro in einer ersten und zweiten Förderphase gefördert.

Die akute lymphatische Leukämie (ALL) ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems im Knochenmark. Bei dieser Krankheit reifen die weißen Blutkörperchen nicht zu funktionsfähigen Zellen heran, sondern vermehren sich unkontrolliert. Dies kann zu Blutarmut, Infektionen und erhöhter Blutungsneigung führen, wodurch die Körperorgane geschädigt werden. Ohne adäquate Behandlung verläuft die ALL innerhalb weniger Monate tödlich. 

Die Phase-II-Studie EVOLVE, die von der Deutschen Multicenterstudiengruppe für die ALL des Erwachsenen (GMALL) durchgeführt wird, hat sich zum Ziel gesetzt, diese Prognose zu verbessern. Die GMALL-Studienzentrale ist an der Medizinischen Klinik 2: Hämatologie, Onkologie, Hämostaseologie, Rheumatologie und Infektiologie des Universitätsklinikum Frankfurt angesiedelt und konnte jetzt die Rekrutierung bundesweit starten. EVOLVE wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit bis zu 1,2 Millionen während einer Gesamtlaufzeit von sieben Jahren in einer ersten und zweiten Förderphase gefördert. 

Erhöhte Wirksamkeit – auch ohne Stammzelltransplantation?
Die Einführung von Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) hat bereits zu einer erheblichen Verbesserung der Prognose für Patientinnen und Patienten mit Ph-positiver ALL geführt. Diese Inhibitoren sind in der Lage, die genetischen Veränderungen, die für diese spezielle Form der ALL verantwortlich sind, gezielt zu blockieren. Die Bezeichnung „Philadelphia-positive ALL“ bezieht sich auf das sogenannte Philadelphia-Chromosom, das als Folge einer spezifischen Genveränderung im Erbgut der Betroffenen vorliegt. Gleichwohl bleibt die Standardbehandlung für die Patientinnen und Patienten sehr belastend. Bisher folgte auf eine Chemotherapie in Kombination mit dem TKI Imatinib in der überwiegenden Zahl der Fälle eine Stammzelltransplantation, die als intensivste verfügbare Therapieform gilt. Die EVOLVE-Studie untersucht unter anderem die Wirksamkeit und Verträglichkeit des neueren TKI Ponatinib im Vergleich zur Standardtherapie mit Imatinib. 

„Die Studie könnte die Art und Weise, wie Patienten mit Ph-positiver ALL zukünftig behandelt werden, grundlegend verändern“, erklärt Dr. Fabian Lang, Medizinische Klinik 2, Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie, am Universitätsklinikum Frankfurt. Er fungiert zusammen mit Dr. Heike Pfeiffer als wissenschaftlicher Koordinator der Studie. „Unser Ziel ist es, nicht nur die Wirksamkeit des Tyrosinkinase-Inhibitors Ponatinib zu bewerten, sondern auch herauszufinden, inwieweit bei einem sehr guten Ansprechen auf TKI die Notwendigkeit einer Stammzelltransplantation entfallen kann. Wir prüfen stattdessen eine Kombinationstherapie aus TKI, dem spezifischen Antikörper Blinatumomab und Chemotherapie. Ein weiteres Ziel der Studie ist es festzustellen, ob die Verabreichung von Blinatumomab vor der Stammzelltransplantation bei Patientinnen und Patienten, die auf Ponatinib nicht optimal ansprechen, die Heilungsaussichten verbessern kann.“

Online-Portal zur Förderung der Patientenbeteiligung
Zusätzlich wurde in Zusammenarbeit mit der Patientenorganisation Deutsche Leukämie- und Lymphom-Hilfe (DLH) ein umfangreiches Programm zur besseren Patientenbeteiligung entwickelt. Dies beinhaltet Aufklärungsmaterial für Patientinnen und Patienten mit einer grafisch optimierten Aufbereitung von Informationen sowie die Bereitstellung eines Portals zur Patientenselbstdokumentation. Auf diesem Portal können Aspekte wie Lebensqualität, Nebenwirkungen und Versorgungsstandards beurteilt werden. Zudem haben Patientinnen und Patienten die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Informationen zum Studienverlauf abzurufen. „Wir hoffen, dass wir mithilfe des Programms die Patientenperspektiven besser wahrnehmen und Patientinnen dadurch noch zielgerichteter unterstützen können“, sagt Dr. Nicola Gökbuget, Leiterin der GMALL und der klinischen Prüfung. DLH-Vorstandsmitglied Holger Bassarek begrüßt die Integration der Patientenbeteiligung in die EVOLVE-Studie ebenfalls ausdrücklich: „Patientenbeteiligung bietet eine Chance nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch für die Forschung. Daher sind anwenderfreundliche Instrumente zur aktiven Beteiligung, wie das EVOLVE-Online-Portal, enorm wichtig.“

Multizentrische Studiengruppe für ALL
Die GMALL-Studiengruppe zählt zu den weltweit größten Studiengruppen der ALL bei Erwachsenen und ist als klinische Forschungsgruppe an der Medizinischen Klinik 2 (Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie) des Universitätsklinikum Frankfurt angesiedelt. An der EVOLVE-Studie sind 80 bis 100 Zentren in Deutschland beteiligt. Dazu kommen Kooperationen mit bis zu 50 Zentren für Stammzelltransplantation. „Nur durch die sehr breite Aufstellung der Studie kann bei der seltenen Erkrankung Ph-positiver ALL eine ausreichende Anzahl von Patientinnen und Patienten für die Studie gewonnen werden“, erklärt Dr. Gökbuget. „Dies erfordert erhebliche logistische Anstrengungen in der Studienkoordination. Das GMALL-Team bedankt sich bei den beteiligten Studienkliniken, dass sie trotz immer größerer Herausforderungen im Klinikalltag an der Studie teilnehmen und so ihren Patientinnen und Patienten ein alternatives Therapiekonzept anbieten.“ 

Weitere Studiendetails unter: https://www.clinicaltrialsregister.eu/ctr-search/trial/2022-000760-21/DE

Für weitere Informationen:
Dr. Nicola Gökbuget
Medizinische Klinik 2, Schwerpunkt Hämatologie/Onkologie
Universitätsklinikum Frankfurt
Telefon: +49 69 63 01 – 63 65
E-Mail: goekbuget@em.uni-frankfurt.de
Internet: www.kgu.de

Über das Universitätsklinikum Frankfurt
Das Universitätsklinikum Frankfurt, gegründet im Jahr 1914, zählt zu den führenden hochschulmedizinischen Einrichtungen Deutschlands. Es bietet seinen Patientinnen und Patienten eine bestmögliche medizinische Versorgung in 33 Kliniken und klinischen Instituten. Der enge Bezug zur Wissenschaft – Universitätsklinikum und Fachbereich Medizin betreiben mehr als 20 Forschungsinstitute – sichert den Patientinnen und Patienten eine zeitnahe Umsetzung neuer Erkenntnisse in die diagnostische und therapeutische Praxis. Rund 1.300 stationäre und tagesklinische Betten stehen zur Verfügung. Zahlreiche Kliniken und Institute widmen sich medizinisch-wissenschaftlichen Spezialleistungen. Jährlich werden circa 46.000 stationäre und mehr als 480.000 ambulante Patientinnen und Patienten betreut. Besondere interdisziplinäre Kompetenz besitzt das Universitätsklinikum unter anderem auf den Gebieten der Neurowissenschaften, Onkologie und kardiovaskulären Medizin. Auch als Standort für Organ- und Knochenmarktransplantationen, Dialyse sowie der Herzchirurgie und Neurochirurgie nimmt es besondere Aufgaben der überregionalen medizinischen Versorgung wahr. Das Leberzentrum ist die einzige Einrichtung für Lebertransplantation in Hessen. Ein Alleinstellungsmerkmal gemäß Versorgungsauftrag nach dem Hessischen Krankenhausgesetz besteht für die Region Frankfurt-Offenbach neben der Herzchirurgie auch für die Mund-Kiefer- und Gesichtschirurgie, die Dermatologie und die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Mehr als 7.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kümmern sich rund um die Uhr um die Patientinnen und Patienten.

Herausgeber: Der Vorstand des Universitätsklinikum Frankfurt. Redaktion: Christoph Lunkenheimer, Pressesprecher, Stabsstelle Kommunikation, Theodor-Stern-Kai 7, 60590 Frankfurt am Main, Telefon: +49 69 63 01 – 86 44 2, E-Mail: christoph.lunkenheimer@kgu.de

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