Die Fachzeitschrift „Leukemia”, eine der führenden Fachzeitschriften für Hämatologie und Onkologie, hat eine Forschungsarbeit von Dr. Sebastian Koschade (Medizinische Klinik 2, Universitätsklinikum Frankfurt) veröffentlicht, in der er in Zusammenarbeit mit Dr. Christian Münch (Institut für Biochemie II) und Prof. Dr. Christian Brandts (Medizinische Klinik 2) einen bestimmten Autophagieprozess als neuen Resistenzmechanismus von AML-Zellen gegenüber einer Behandlung mit FLT3-Inhibitoren identifizieren konnte.
Eine besonders häufig bei den Leukämiezellen auftretende Erbgutveränderung ist eine Veränderung im FLT3-Gen, die zu einer dauerhaften und überschießenden Aktivierung des FLT3-Signalproteins führt, welche für das Wachstum und das Voranschreiten der Erkrankung verantwortlich ist. In den vergangenen Jahrzehnten führte diese Entdeckung, die unter Beteiligung von Prof. Dr. Hubert Serve (Direktor der Medizinischen Klinik 2) sowie Prof. Dr. Brandts gemacht worden war, zur Entwicklung neuer Medikamente zur Behandlung der AML, die dieses Signalprotein zielgerichtet hemmen. Diese sogenannten FLT3-Inhibitoren sind Arzneistoffe aus der Gruppe der Tyrosinkinasehemmer, die eine unkontrollierte Zellteilung verhindern sollen. Trotzdem zeigen die FLT3-Inhibitoren leider in vielen Fällen keine ausreichende Wirkung. Mit seiner Forschung möchte Dr. Koschade deshalb die hierfür verantwortlichen Mechanismen der Therapieresistenz besser verstehen und nach weiteren innovativen Möglichkeiten zur Behandlung suchen.
Unter Verwendung der Translatom-Proteomik, einer im Labor von Dr. Christian Münch entwickelten neuen massenspektrometrischen Methode, die den momentanen Expressionsgrad tausender Gene sichtbar macht, gelang es Dr. Koschade und seinen Kollegen erstmals, detailliert direkte Veränderungen in der Proteinsynthese von Leukämie-Zellen der AML unter zielgerichteter Behandlung mit FLT3-Inhibitoren zu messen. Die Wissenschaftler stellten dabei fest, dass eine gewisse Form der Autophagie von den FLT3-Inhibitoren aktiviert wird, die es den hochaggressiven Leukämie-Zellen ermöglicht, trotz der am Ziel wirkenden FLT3-Inhibitoren weiter zu überleben und zu wachsen. Autophagie ist eine Art intrazellulärer Recycling-Prozess, der Zellen dabei helfen kann, sich an veränderte Bedingungen anzupassen. In der veröffentlichten Forschungsarbeit gelang es, die an diesem Prozess beteiligten intrazellulären Signalwege auf molekularer Ebene aufzuschlüsseln. Im Labor sowie am Mausmodell konnten Dr. Koschade und seine Kollegen anschließend zeigen, dass eine kombinierte Behandlung von AML-Zellen mit FLT3-Inhibitoren sowie Autophagie-Inhibitoren das Fortschreiten der Leukämie verhinderte und die Gesamtüberlebenszeit verlängerte.
Dr. Koschade wird für seine Forschung in der Medizinischen Klinik 2 und dem Institut für Biochemie II als Clinician Scientist durch das Mildred-Scheel-Nachwuchszentrum (MSNZ) Frankfurt gefördert, das ihm eine parallele Tätigkeit sowohl in der Klinik als auch im Labor ermöglicht. Die Ergebnisse seiner Arbeit zeigen einen Weg zur Steigerung der klinischen Wirksamkeit von FLT3-Inhibitoren auf und legen nahe, dass eine systematische Untersuchung zellautonomer Therapieresistenzmechanismen mittels funktioneller Translatom-Proteomstudien gewinnbringende Erkenntnisse für eine erfolgreichere Behandlung mit zielgerichteten Substanzen wie FLT3-Inhibitoren liefern kann.
Publikation:
Koschade SE, Klann K, Shaid S, Vick B, Stratmann JA, Thölken M, Meyer LM, Nguyen TD, Campe J, Moser LM, Hock S, Baker F, Meyer CT, Wempe F, Serve H, Ullrich E, Jeremias I, Münch C* & Brandts CH*; Translatome proteomics identifies autophagy as a resistance mechanism to on-target FLT3 inhibitors in acute myeloid leukemia. Leukemia (2022). https://doi.org/10.1038/s41375-022-01678-y
*corresponding authors, equal contributions