Beobachtungsstudie zur SARS-CoV-2-Infektion bei krebskranken Kindern

COVID-19-Infektionen können bei Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen zu gefährlichen Komplikationen führen. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikum Frankfurt hat in einer Studie die Faktoren untersucht, die zu einer schweren Erkrankung in dieser Patientengruppe beitragen. Zu den drei wichtigsten Faktoren zählen Koinfektionen, zusätzliche Erkrankungen zur Grunderkrankung und niedrige Werte weißer Blutkörperchen. Aus diesen Ergebnissen können Schlussfolgerungen für die klinische Behandlung abgeleitet werden.

Gleich zu Beginn der Pandemie wurden Studien veröffentlicht, die sich mit den erhöhten Risiken von Nebenwirkungen und Sterblichkeit bei erwachsenen Krebspatienten sowie Patienten mit hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSCT) im Zusammenhang mit COVID-19 befasst haben. Dagegen sind die Auswirkungen derselben Krankheitsbilder bei Kindern bislang mangelhaft erforscht. Das hängt damit zusammen, dass nur eine sehr begrenzte Datenmenge zur Verfügung steht. Dadurch blieb bei krebskranken Kindern der Einfluss der Grunderkrankung und des Behandlungsstatus auf den Schweregrad von COVID-19 weitgehend unbekannt. Unter Leitung von Prof. Thomas Lehrnbecher, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikum Frankfurt, und Dr. Gabrielle Haeusler vom Murdoch Children’s Research Institute (MCRI) und Peter MacCallum-Cancer Center in Melbourne wurde eine Studie durchgeführt, durch die nun grundlegende Forschungsdaten verfügbar sind. Die Studie wurde im Oktober in der renommierten Fachzeitschrift „European Journal of Cancer“ veröffentlicht.

Risikofaktoren für eine schwere Erkrankung
Im Vergleich zu Erwachsenen erkranken Kinder deutlich seltener an schwerem oder tödlichem COVID-19. Von den 131 in der Studie analysierten Patientinnen und Patienten hatten die meisten einen milden klinischen Verlauf mit asymptomatischen oder leichten Symptomen, von denen sie sich vollständig erholten. Allerdings benötigten elf Prozent der krebskranken Kinder und Jugendlichen intensivmedizinische Betreuung, vier der Patienten starben aufgrund der Infektion. Das Team um Prof. Thomas Lehrnbecher, Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt, konnte beobachten, dass vor allem drei Faktoren zu einem schweren klinischen COVID-19-Verlauf bei den Kindern beitrugen. „Eine schwere Neutropenie, also niedrige Werte weißer Blutkörperchen, eine Komorbidität, d. h. eine zusätzliche Erkrankung neben der Grunderkrankung, sowie eine bakterielle Koinfektion waren in unserer Studie mit einer zunehmenden Schwere der Erkrankung assoziiert“, erläutert Prof. Lehrnbecher. Überrascht war das Team auch darüber, dass die Sterblichkeit bei Patienten mit abgeschlossener Krebsbehandlung höher war als bei Patienten mit aktiver Behandlung. Diese Beobachtung steht im Gegensatz zu den Erkenntnissen über erwachsene Patienten, bei denen beide Gruppen ein ähnliches Sterberisiko haben.

Modifikationen für pädiatrische Krebstherapie 
Zu der internationalen Studie haben Kinderkrankenhäuser aus zehn Ländern ihre Daten vom Beginn der Pandemie bis Februar 2021 beigetragen. Aus den Erkenntnissen zur Schwere der COVID-19-Erkrankung, zu den Symptomen, dem Behandlungsstatus und zur Dauer der Virusausscheidung können in einem weiteren Schritt Empfehlungen für die Behandlung in der pädiatrischen Krebstherapie abgeleitet werden. Sie betreffen unter anderem die Intensität und die Zyklen von Chemotherapien. Hat beispielsweise die Unterbrechung einer Chemotherapie Einfluss auf den Schweregrad der COVID-19-Erkrankung? Auch zur Einschätzung von Isolationsbeschränkungen und Handlungsempfehlungen für Kontaktpersonen können die Studienergebnisse beitragen. Bei den immunsupprimierten Patientinnen und Patienten konnte das Virus bis zu 80 Tagen nach der Infektion nachgewiesen werden. „Da sich die meisten Ansteckungen im häuslichen Bereich ereignen, kommt der Impfung der Familienangehörigen gegen COVID-19 eine besondere Bedeutung zu“, betont Prof. Lehrnbecher. In einem nächsten Schritt erforscht das Team der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin das Impfverhalten der spezifischen Patientengruppe. „Derzeit prüfen wir in einer multizentrischen Studie die Wirksamkeit der COVID-19-Impfung bei Kindern und Jugendlichen mit Krebserkrankungen“, erklärt Prof. Lehrnbecher.

Publikation:
Haeusler, G. M., Ammann, R. A., Carlesse, F., Groll, A. H., Averbuch, D., Castagnola, E., Agyeman, P. KA., Phillips, B., Gilli, F., Solopova, G., Attarbaschi, A., Wegehaupt, O., Speckmann, C., Sung, L., Lehrnbecher, T.; SARS-CoV-2 in Children with Cancer or Following Haematopoietic Stem Cell Transplant: An Analysis of 131 Patients. European Journal of Cancer, October 09, 2021.
https://doi.org/10.1016/j.ejca.2021.09.027

Für weitere Informationen:
Prof. Dr. Thomas Lehrnbecher
Klinik für Kinder- und Jugendmedizin
Schwerpunkt Onkologie, Hämatologie und Hämostaseologie
Universitätsklinikum Frankfurt
Telefon: +49 69 63 01 – 83 48 1
E-Mail: thomas.lehrnbecher@kgu.de

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